Predigt "Der fünffältige Dienst"
Die Leitung der Gemeinde • Sermon • Submitted
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Einleitung
Einleitung
Ich will euch einmal eine Gemeinde beschreiben: Die einzelnen Gemeindeglieder kennen sich alle in der Bibel hervorragend aus. Sie wissen, wie Gott ist und wie sie ein Leben führen können, das Gott gefällt. Und das tun sie auch. Sie leben ihren Alltag mit Jesus, so dass die Menschen in ihrer Umgebung immer wieder staunen über sie und anfangen, sich auch für diesen Jesus zu interessieren. Falsche Lehren erkennt diese Gemeinde ohne große Probleme, und auch wenn sie selbst zu unterschiedlichen biblischen Themen und Fragen unterschiedliche Ansichten haben, trennt sie das nicht voneinander, sondern bringt sie im Gegenteil zueinander, um diese Fragen gemeinsam und von Gottes Wort her zu untersuchen. Man spürt ihnen ab, dass sie sich gegenseitig wirklich lieben und den tiefen Wunsch haben, immer mehr so zu werde wie Jesus. Wenn jemand von ihnen eine Not oder ein Problem hat, sind alle gerne bereit zu helfen, uneigennützig und liebevoll, denn jedem ist der andere wichtiger als er sich selbst wichtig ist. Und wirklich alle machen da mit. Keiner steht am Rande und erweckt den Eindruck, nicht dazu zu gehören.
Du sagst vielleicht jetzt: Das ist doch eine Utopie? So eine Gemeinde gibt es ja gar nicht. Vielleicht. Aber eigentlich ist es genau die Gemeinde, wie Paulus sie in Eph. 4 als Ziel beschreibt. Das ist die Gemeinde, wie sie nach seiner Ansicht werden soll. Ich lese uns diese Zielbeschreibung einmal vor. Ich lese nach der Gute Nachricht Übersetzung:
So soll es dahin kommen, dass wir alle die einende Kraft des einen Glaubens und der einen Erkenntnis des Sohnes Gottes an uns zur Wirkung kommen lassen und darin eins werden – dass wir alle zusammen den vollkommenen Menschen bilden, der Christus ist, und hineinwachsen in die ganze Fülle, die Christus in sich umfasst. Wir sind dann nicht mehr wie unmündige Kinder, die kein festes Urteil haben und auf dem Meer der Meinungen umhergetrieben werden wie ein Schiff von den Winden. Wir fallen nicht auf das falsche Spiel herein, mit dem betrügerische Menschen andere zum Irrtum verführen. Vielmehr stehen wir fest zu der Wahrheit, die Gott uns bekannt gemacht hat, und halten in Liebe zusammen. So wachsen wir in allem zu Christus empor, der unser Haupt ist.Von ihm her wird der ganze Leib zu einer Einheit zusammengefügt und durch verbindende Glieder zusammengehalten und versorgt. Jeder einzelne Teil erfüllt seine Aufgabe, und so wächst der ganze Leib und baut sich durch die Liebe auf.
Wow! Das ist eine großartige Vorstellung von Gemeinde! Und es ist - das wird ganz deutlich - eine Zielvorstellung. Das soll Gemeinde immer mehr werden. Paulus schreibt ja ganz klar, dass dies das Ziel ist, auf das hin die Gemeinde unterwegs ist. Das soll auch uns immer mehr prägen und bestimmen. Dabei ist klar, dass keine Gemeinde jemals vollkommen an diesem Ziel ankommen wird. Aber das soll uns nicht davon abhalten, uns immer mehr zu bemühen, das Ziel zu erreichen!
Ich habe vor vielen Jahren einmal einen Pastor gehört, der darüber predigte, dass ein Mann seine Frau so lieben soll, wie Christus die Gemeinde geliebt hat. Das ist ja auch ein wirklich “utopisches” Ziel: so zu lieben wie Jesus! Das geht ja überhaupt nicht! Es steht übrigens im nächsten Kapitel des Epheserbriefes! Und dann sagte der Pastor: “Von dieser Bibelstelle her kann kein Mann jemals sagen: Ich liebe meine Frau genug.” Und das stimmt! Man kann so einen Text lesen und demotiviert aufgeben: Das schaffe ich ohnehin nicht. Also fange ich erst gar nicht an. Oder man sagt sich: Das werde ich zwar nie zu 100% erreichen. Aber ich behalte es als Ziel im Auge und tue alles, damit ich dieses Ziel immer besser erreiche.
Genauso ist es auch mit diesem Idealbild von Gemeinde: Gefestigte, reife Christen, die Irrlehren klar erkennen und miteinander in Liebe umgehen. Eine Gemeinde, die wirklich eine geistliche Einheit ist. Christen, in deren Leben man ganz klar Jesus sehen kann. Eine Gemeinde also, die einladend ist, weil man in ihr Gottes Liebe in Aktion sieht und Jesus erkennen kann.
Wie kommt man dahin? Wie kann eine solche Gemeinde entstehen, wie kann eine Gemeinde dahin wachsen? Paulus gibt uns da im Namen Gottes eine klare Antwort: Indem sie Schritt für Schritt als Leib von Christus wächst und auferbaut wird. Und wie geht das?
Ich lese uns jetzt den ersten Teil unseres Predigttext für heute vor. Er steht direkt vor dem Text, den ich eben gelesen habe. Und es ist ganz wichtig, dass wir diese Zielvorstellung für Gemeinde immer im Hinterkopf behalten, wenn wir über unser Predigtthema nachdenken!
Und auch die versprochenen »Gaben« hat er ausgeteilt: Er hat die einen zu Aposteln gemacht, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, wieder andere zu Hirten und Lehrern der Gemeinde.Deren Aufgabe ist es, die Glaubenden zum Dienst bereitzumachen, damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut wird.
Dadurch also soll der Leib Christi aufgebaut werden! Paulus macht ganz klar, wie das gehen kann, dass eine Gemeinde dem eben genannten Ideal immer näher kommt: Durch die Gaben, die Jesus seiner Gemeinde gegeben hat. In den Versen vor unserem Text spricht Paulus davon, dass Jesus nach seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren ist und dass er seiner Gemeinde von dort Gaben gegeben hat.
Hier, im Epheserbrief, spricht er dabei nicht von den allgemeinen Gnadengaben, wie er das in Röm 12 und 1Kor 12 tut. Auch diese Gaben dienen genau dem gleichen Zweck: Die Gemeinde Jesu aufzubauen. Hier greift der dabei die Gaben heraus, die in besonderer Weise dazu dienen, die einzelnen Gemeindeglieder für ihre Dienste und Aufgaben zuzurüsten und dadurch die Gemeinde zu bauen: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer .
Wir wollen uns jetzt zunächst einmal ansehen, was unter diesen fünf Aufgabenbereichen gemeint ist. Man nennt diese Aufgaben häufig den sogenannten “fünffachen Dienst”. Übrigens wird dabei auch gleich schon deutlich, dass die Gaben, die Gott seiner Gemeinde gibt, immer eine klare Aufgabe haben: sie sind dazu da, im Dienst für Andere eingesetzt zu werden. Wir sprechen ja manchmal auch vom einem “Amt”. Wenn wir das tun, denken wir nur allzuschnell an “Amt und Würde” oder an einen “Posten der Autorität”. Aber das deutsche Wort “Amt” kommt von einem germanischen Wort, das “Dienst” bedeutet und ist im Neuen Testament die Übersetzung für das Wort “diakonia” - Dienst. Das ist auch hier ganz klar so gemeint: Diese Gaben sollen der gesamten Gemeinde dienen.
In einem ersten Punkt wollen wir also darüber nachdenken, was mit diesen einzelnen Diensten gemeint ist, wobei wir besonders die etwas schwieriger zu verstehenden Dienste Apostel und Prophet herausgreifen. Dann schauen wir uns im zweiten Punkt der Predigt an, was die Hauptaufgabe dieser fünf Dienste ist: die Auferbauung der Gemeinde. Und schließlich wollen wir noch darüber nachdenken, welche Aufgabe für uns als ganze Gemeinde daraus entsteht. Wir gehen dabei an unserem Predigttext entlang. Es wäre sicher gut, wenn ihr den Text selbst aufschlagt und so mitverfolgen könnte, was ich sage: Eph 4,11-17. Und um es gleich vorweg zu sagen: Der erste Punkt wird wesentlich länger sein als der zweite und dritte. Also bitte keine Panik, wenn es hier etwas länger dauert!
1. Der fünffache Dienst (V. 11)
1. Der fünffache Dienst (V. 11)
Ich lese noch einmal die Aufzählung der fünf Dienste in
Und auch die versprochenen »Gaben« hat er ausgeteilt: Er hat die einen zu Aposteln gemacht, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, wieder andere zu Hirten und Lehrern der Gemeinde.
Wenn man genau hinhört, stellt man fest, dass Paulus bei den letzten beiden, den Hirten und Lehrern, etwas anderes formuliert. Eigentlich würde man ja erwarten, dass er sagt: “andere als Hirten und wieder andere als Lehrer”. Stattdessen hat man fast den Eindruck, dass er die Hirten und die Lehrer irgendwie zusammenfasst: “andere als Hirten und Lehrer”. Manche meinen daher, dass “Hirten und Lehrer” eine einzige Aufgabe, einen einzigen Dienst beschreiben. Sie sprechen deshalb hier vom “vierfachen Dienst”. Ich glaube nicht, dass das so zu verstehen ist. Dann hätte er ja nicht zwei Begriffe dafür verwenden müssen. Aber was meint Paulus denn dann hier? Warum diese besondere Formulierung?
Der frühere Rektor der FTH in Gießen, Helge Stadelmann, hat in seinem Kommentar zum Epheserbrief eine Erklärung dafür gegeben, die mich überzeugt hat. Und er hat damit auch gleich noch eine andere Frage beantwortet, die ich selbst immer im Blick auf diesen Vers hatte: Wie ist eigentlich der Zusammenhang zwischen diesen fünf Diensten und den Ältesten zu sehen? Íst das identisch? Also sind hier die unterschiedlichen Aufgabenbereiche von Ältesten gemeint? Ist das hier also die “Gemeindeleitung”, die durch die fünf Dienste beschrieben wird?
Nur, wenn das so wäre, wie kann es dann sein, dass sich Paulus selbst als Apostel beschreibt? Er war doch nicht ein Ältester einer speziellen Gemeinde. Und dann ist da Philippus, der als Evangelist bezeichnet wird in Apg 21,8. Und Philippus war ein Diakon der Gemeinde in Jerusalem, nicht ein Ältester. Und auch Propheten werden uns in der Apostelgeschichte vorgestellt, die nicht zu den Ältesten einer bestimmten Gemeinde zu gehören scheinen.
Eine direkte Identifizierung von Ältesten und diesen fünf Diensten scheint also nicht korrekt zu sein. Interessant fand ich, was Stadelmann nun zu den beiden Diensten Hirte und Lehrer sagt. Ein Hirte ist ja jemand, der die Schafe, also die Gemeinde, leitet. Und ein Lehrer ist jemand, der die Gemeinde geistlich prägt und bestimmt. Beides, Hirte sein und lehren, wird im Neuen Testament als Aufgabe der Ältesten beschrieben. Sie sollen, wie 1Petr 5,1ff sagt, Hirten der Herde sein und die Gemeinde weiden. Und dass sie “lehrfähig” sein sollen, ist - wie Klaus in seiner Predigt gezeigt hat - die einzige Voraussetzung, die in der Beschreibung eines Ältesten in 1Tim 3 steht, die nicht in gleicher Weise auch von allen Gemeindegliedern erwartet wird. Hirte und Lehrer - das sind die Ältesten, zumindest ist das ihre Hauptaufgabe.
Ich meine damit nicht, dass es in einer Ältestenschaft keine Evangelisten, Propheten oder Apostel geben kann. Aber die Gemeindeleitung sollte auf jeden Fall aus Menschen bestehen, deren Gabe und Dienst es ist, Hirte oder Lehrer zu sein. Deshalb vermutlich hat Paulus diese beiden Gruppen hier so zusammenfasst: die Hirten und Lehrer, das sind im Wesentlichen die Ältesten der Gemeinde.
So viel zu den Hirten und Lehrern. Ganz kurz will ich noch ein paar Worte zu den “Evangelisten” sagen. Eigentlich sollte das uns allen klar sein, denn wir haben ja schon eine ganze Reihe von Evangelistinnen und Evangelisten in unserer Gemeinde gehabt und haben sie immer noch. Vielleicht kann man das am Besten erklären, wenn man einmal Markus Pfeil und mich nimmt. Ich kann durchaus eine Predigt halten, die evangelistisch ist. Dann werde ich lehrmäßig erklären, warum man sich bekehren soll. Und Markus kann durchaus eine Predigt halten, die biblische Lehre darlegt. Dann wird er sie dazu benutzen, um Menschen zu Jesus einzuladen. Denn das ist ein Evangelist - sein Herz brennt dafür, dass Menschen Jesus kennenlernen. Mein Herz natürlich auch. Aber eben nicht so sehr wie das eines Menschen, dessen Dienst es ist, Evangelist zu sein. Mein Herz brennt eher dafür, Menschen zu erklären, was Glaube ist und was die Bibel darüber sagt.
Hirte, Lehrer und Evangelist - das erschließt sich uns ja relativ leicht. Aber was ist denn eigentlich genau mit “Apostel und Propheten” gemeint? Ich möcht kurz darauf eingehen, was wir uns unter diesen beiden Begriffen vorzustellen haben:
Fangen wir mit dem Apostel an. Das ist sicher die Aufgabe, mit der wir die größten Schwierigkeiten haben. Die Apostel, das sind doch die 12 Jünger von Jesus. Dabei hat die Zahl 12 eine große Bedeutung, denn sie steht ja parallel zu den 12 Stämmen Israels. In der Offenbarung lesen wir, dass das neue Jerusalem 12 Tore hat, die für die 12 Stämme Israels stehen. Und es ist erbaut auf 12 Grundsteinen, die für die 12 Apostel stehen.
Aber dann ist da z.B. noch Paulus. Er gehört ja nicht zu den ursprünglichen Aposteln, war nie mit Jesus unterwegs und hat ihn nur einmal als den Auferstandenen gesehen - in seiner Vision auf dem Weg nach Damaskus. Und doch tritt er ganz klar mit diesem Anspruch auf Apostel zu sein. Oder da ist z.B. Jakobus, der Bruder von Jesus. Auch er gehörte nicht zu den 12 Jüngern Jesus, aber er wird als Apostel bezeichnet.
Es scheint also neben den ursprünglichen 12 Aposteln, die eine ganz zentrale Rolle einnehmen, noch weitere Personen zu geben, die als Apostel bezeichnet werden, und die für die Gemeinde ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Sie werden deshalb ja auch in 1Kor 12 erwähnt, wo Paulus schreibt:
So hat Gott in der Gemeinde allen ihre Aufgabe zugewiesen. Da gibt es erstens die Apostel, zweitens die, die prophetische Weisungen erteilen, drittens die, die zum Lehren befähigt sind. Dann kommen die, die Wunder tun oder heilen können, die Dienste oder Leitungsaufgaben übernehmen oder in unbekannten Sprachen reden.
Auch hier hat man nicht den Eindruck, dass die 12 Apostel gemeint sind. Wie in unserem Text in Eph 4 stehen sie neben den Propheten und den Lehren.
Was also ist ein solcher Apostel? Was kennzeichnet ihn? Was bedeutet eigentlich der Begriff “Apostel”? Es handelt sich hier eigentlich um ein griechisches Wort (apostolos), das die Bedeutung “Gesandter” hat. Ein Apostel ist jemand, der geschickt worden ist mit einer Botschaft und Aufgabe. Die 12 Apostel, das sind diejenigen, die von Jesus gesandt worden sind mit der Aufgabe, seine Gemeinde zu bauen. Ein Apostel ist daher jemand, der grundlegend ist für eine Gemeinde. Man kann das eigentlich sehr gut an Paulus sehen. Er ist herumgezogen, hat evangelisiert und gelehrt, hat Gemeinden gegründet und sie dann wieder verlassen, um die gleiche Aufgabe an einer anderen Stelle wahrzunehmen.
Vielleicht könnte man einen Apostel am ehesten mit einem Missionar oder Gemeindegründer identifizieren. Ich würde dabei übrigens heute nicht mehr den Begriff “Apostel” dafür verwenden, weil das einfach zu missverständlich ist. Wir haben ja auch eine ganze christliche Gruppierung, die Neu-Apostolische Kirche, die mit der erneuten Benennung von Menschen zu Aposteln eine sehr grundlegendle geistliche Bedeutung verbindet und die ihre Apostel in einer ähnlichen Funktion sieht wie die ursprünglichen 12 Apostel. Das Wort ist also zumindest sehr erklärungsbedürftig.
Aber die Aufgaben eines Missionars und Gemeindegründers, die benötigen wir heute noch genauso wie damals. Das ist es, was hier mit “Apostel” gemeint ist.
Soviel einmal zu den Aposteln. Ähnlich problematisch ist auch die Bezeichnung “Prophet”. Vermutlich fallen einigen von euch sofort Menschen ein, die mit diesem Selbstverständnis auftreten. Und die teilweise sehr seltsame Dinge von sich geben oder zumindest einen sehr hohen geistlichen Anspruch erheben: Ich bin ein Prophet. Was ich sage, das sage ich im Namen Gottes. Also musst du es glauben!
Was ist hier gemeint? Was ist eigentlich in der Bibel ein “Prophet”?
Man kann die Aufgabe eines Propheten eigentlich sehr gut anhand des griechischen Begriffes erklären, der hinter der Bezeichnung “Prophet” steht. Wörtlich übersetzt bedeutet es: “für jemand reden”. Ein Prophet ist jemand, der für Gott reden. Er ist sozusagen Mund Gottes. Im AT treten die Propheten daher sehr oft auf mit dem Anspruch: “So spricht der HERR”. Sie sind von Gott beauftragt worden, den Menschen zu sagen, was Gott denkt und will.
Ein Prophet ist also nicht in erster Linie jemand, der den Menschen sagt, was in Zukunft geschehen wird. Das kann auch zu seiner Botschaft gehören. Aber noch viel öfter sagt ein Prophet den Menschen, was Gott über sie und ihr Verhalten denkt. Paulus beschreibt das in 1Kor 14 so: Wenn ihr in der Gemeinde prophetisch redet und ein Ungläubiger kommt in die Gemeinde, dann wird das Innerste seines Herzens aufgedeckt und er wird niederfallen und Gott anbeten. Paulus schreibt:
Wenn du aber prophetische Weisungen empfängst, kannst du sie an andere weitergeben. Du kannst damit die Gemeinde aufbauen, ermutigen und trösten.
Aufbauen, ermutigen und trösten - das ist es, was prophetisches Reden ausmacht. Und genau deshalb sind Propheten für eine Gemeinde so wichtig. Sie sollen der Gemeinde Gottes Wort sagen, sollen den Menschen in der Gemeinde aufzeigen, was Gott über sie und ihr Verhalten denkt und was er von ihnen will. Und so wie schon im Alten Testament die Propheten immer wieder Bezug nahmen auf das, was als Wort Gottes schon schriftlich vorlag, auf die fünf Bücher Mose und das Gesetz Gottes, so gilt auch für jedes prophetische Reden heute, dass es sich orientieren muss an dem Wort Gottes. Es muss daher immer mit dem Wort Gottes übereinstimmen und mit dem Wort Gottes in der Hand geprüft werden! Wir haben ja den ungeheuren Vorteil, Gottes Wort auf vielen hundert Seiten schriftlich vor uns zu haben. Prophetisches Reden bedeutet daher oft, dass jemand dieses Wort Gottes in die konkrete Situation von Menschen hinein spricht.
Ich persönlich glaube, dass prophetisches Reden viel öfter geschieht, als wir das wahrnehmen. Und dass es häufig nicht mit diesen ausdrücklichen Worten “Ich sage dir das als Prophetie von Gott” begleitet ist. Natürlich kann das auch sein! Aber auch so manche Predigt ist in diesem Sinne prophetisch, weil sie Gottes Wort in den Alltag der Gemeinde und der einzelnen Gemeindeglieder hinein spricht. Und auch auf der persönlichen Ebene kann das geschehen. Du liest vielleicht die Bibel und hast auf einmal den Gedanken, diesen Bibeltext oder eine bestimmte geistliche Wahrheit einem anderen Gemeindeglied sagen zu sollen. Vielleicht als Erbauung, damit er geistlich weiter kommt. Oder als Ermahnung, weil da etwas ist, was Gott nicht gefällt. Oder als Trost, um einen Menschen wieder aufzurichten und ihm Mut zu machen.
Solch ein prophetisches Reden brauchen wir auch heute. Nicht Menschen, die mit dem hohen Anspruch, ein Prophet zu sein, auftreten und faktisch ihr eigenes Wort zum Maßstab machen. Aber Menschen, die Gottes Wort anderen nahe bringen und in ihr Leben hinein sprechen. Menschen, die gut auf Gott hören und sich von ihm dazu beauftragen lassen, seinen Willen auszuführen.
Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer - das sind Dienste, die wir auch heute noch in der Gemeinde Jesu brauchen. Sie sind wichtig - und das ist mein zweiter Punkt - für die Auferbauung der Gemeinde - und wie schon gesagt: der zweite und dritte Punkt sind wesentlich kürzer als der erste :-).
2. Die Auferbauung der Gemeinde (V. 12-14)
2. Die Auferbauung der Gemeinde (V. 12-14)
Ich lese uns noch einmal die Verse 12-14:
Deren Aufgabe ist es, die Glaubenden zum Dienst bereitzumachen, damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut wird. So soll es dahin kommen, dass wir alle die einende Kraft des einen Glaubens und der einen Erkenntnis des Sohnes Gottes an uns zur Wirkung kommen lassen und darin eins werden – dass wir alle zusammen den vollkommenen Menschen bilden, der Christus ist, und hineinwachsen in die ganze Fülle, die Christus in sich umfasst. Wir sind dann nicht mehr wie unmündige Kinder, die kein festes Urteil haben und auf dem Meer der Meinungen umhergetrieben werden wie ein Schiff von den Winden. Wir fallen nicht auf das falsche Spiel herein, mit dem betrügerische Menschen andere zum Irrtum verführen.
Über diese drei Verse könnte man eine ganze Predigtreihe halten. Das ist natürlich nicht meine Aufgabe heute. Ich möchte eigentlich nur einen Hauptgedanken herausgreifen. Bevor ich das tue, lasst mich wenigstens ganz kurz die einzelnen Aussagen des Textes erläutern:
Der Leib Christi soll aufgebaut werden, so heißt es hier. Und dann wird erklärt, was das genau bedeutet. Wir sollen alle, so heißt es, die einende Kraft des einen Glaubens und der einen Erkenntnis des Sohnes Gottes an uns zur Wirkung kommen lassen. Ich finde es sehr wichtig, dass hier von der “einenden Kraft des einen Glaubens” oder, wie die Luther-Übersetzung es formuliert, der “Einheit des Glaubens” die Rede ist und nicht von einem einheitlichen Glauben. Es geht hier nicht darum, dass wir alle in allen biblisch-theologischen Fragen und in allen ethisch-moralischen Fragen die gleichen Ansichten haben. Es geht darum, dass wir uns alle gemeinsam ausrichten auf unseren Herrn. Es geht um “die Erkenntnis des Sohnes Gottes”. Wichtig ist dabei, dass mit “Erkenntnis” nicht die Ansammlung von Wissen gemeint ist, sondern dass es ein persönliches Kennen meint. So, wie man ja über einen anderen Menschen zwar viel Wissen ansammeln kann, ihn aber persönlich überhaupt nicht kennt. Und wie man umgekehrt einen Menschen durch die persönliche Begegnung ganz tief kennenlernen kann, ohne den Anspruch zu haben, alles über ihn zu wissen. Jesus kennenlernen - das ist das Ziel unseres Glaubens. Und wenn wir alle Jesus kennenlernen, dann leben wir diese Einheit des Glaubens, von der Paulus hier spricht. Dann können wir sogar mit unterschiedlichen Ansichten und Meinungen umgehen, denn wir alle sind ja auf Jesus ausgerichtet, nicht auf uns selbst und unser Recht-haben-wollen!
Dann spricht Paulus vom “vollkommenen Menschen” und von der “Fülle, die Christus in sich umfasst”. Damit ist nicht irgendeine Form von geistlicher Vollkommenheit gemeint. Die erreichen wir - jedenfalls auf dieser Erde - nicht. Es geht vielmehr darum, geistlich erwachsen, geistlich mündig zu sein. Das ist im Griechischen mit dem “vollkommenen Menschen” gemeint - ein erwachsener Mensch. Und Paulus macht auch gleich deutlich, dass es dafür einen klaren Maßstab gibt: Geistlich mündig bist du nicht, wenn du alle geistlichen Fragen selbstständig entscheidest. Geistlich mündig bist du, wenn du alle geistlichen Fragen im Sinn von Jesus entscheidest, wenn er dein Leben in allen Bereichen prägt.
Dann ist auch klar, was Paulus als nächstes sagt: Dann wirst du nicht mehr von allen möglichen Lehrmeinungen hin und hergeworfen, bist nicht anfällig für Irrlehren oder unbiblische Meinungen. Das ist übrigens ganz wichtig: Sicherheit im Glauben und Mündigkeit im Christein erlangt man nicht dadurch, dass man in allen Fragen eine klare und feste Meinung hat, sondern dadurch, dass man sich in allen Fragen klar und fest an Jesus ausrichtet!
Das also ist das Ziel. Eine Gemeinde, die geistlich auferbaut ist. Und was bitte hat das jetzt mit den Aposteln, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehren zu tun?
Das ist meine eigentliche Aussage hier, auch wenn dieser Punkt eigentlich ganz kurz und knapp ist. Paulus sagt es in V.12, dass es die Aufgabe dieser Dienste ist, die Gemeindeglieder “zum Dienst bereit zu machen”, sie für ihren Dienst auszurüsten und vorzubereiten. Und dass dadurch die Gemeinde aufgebaut wird. Die Aufgabe des fünffachen Dienstes ist es also nicht, alles selbst zu machen. Es geht vielmehr darum, die Heiligen, wie Luther das hier formuliert - und das meint im Neuen Testament immer die Christen, die Gemeinde, uns alle - die Heiligen für ihren Dienst zu schulen.
Ein Apostel oder Gemeindegründer hat die Aufgabe, die Neubekehrten geistlich voranzubringen und so für ihren Dienst zu schulen. Ein Prophet hat die Aufgabe, die Menschen in der Gemeinde zurecht zu bringen, zu ermutigen und zu trösten, damit sie einander dienen können. Ein Evangelist hat die Aufgabe, möglichst viele in der Gemeinde zu bewegen, selbst missionarisch tätig zu sein. Ein Hirte hat die Aufgabe, die Gemeindeglieder zu führen, ihnen das zu geben, was sie für ihr geistliches Leben brauchen, damit sie selbst für andere da sein können. Und ein Lehrer hat die Aufgabe, die Gemeindeglieder geistlich zu schulen, damit sie selbst die biblische Lehre anderen weitergeben und ihren eigenen Dienst in Verantwortung vor Gott wahrnehmen können.
Und was ist jetzt die Aufgabe der Gemeindeglieder? Derer, die nicht im eigentlichen Sinne die Gabe haben, Apostel, Prophet, Evangelist, Hirte oder Lehrer zu sein? Ein paar kurze Gedanken möchte ich dazu noch weitergeben:
3. Unsere Aufgabe (V. 15-16)
3. Unsere Aufgabe (V. 15-16)
Paulus schreibt:
Vielmehr stehen wir fest zu der Wahrheit, die Gott uns bekannt gemacht hat, und halten in Liebe zusammen. So wachsen wir in allem zu Christus empor, der unser Haupt ist.Von ihm her wird der ganze Leib zu einer Einheit zusammengefügt und durch verbindende Glieder zusammengehalten und versorgt. Jeder einzelne Teil erfüllt seine Aufgabe, und so wächst der ganze Leib und baut sich durch die Liebe auf.
Wenn man genau hinhört, dann gibt es ein Wort, das diese beiden Verse umklammert: die Liebe. Wir sollen “fest zu der Wahrheit stehen” und “in Liebe zusammenhalten”, oder, wie die Lutherübersetzung sagt: “wahrhaftig sein in der Liebe” und so soll der Leib Christi wachsen und sich auferbauen “durch die Liebe”.
Was macht Gemeinde eigentlich aus? Was unterscheidet sie von allen anderen Vereinen und Gruppierungen in dieser Welt? Jesus hat es einmal so formuliert:
An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.«
Liebe - das meint nicht, dass wir alle ganz tiefe, herzliche Gefühle füreinander empfinden. Das ist natürlich nichts Verkehrtes und wäre sicher ganz toll. Aber es ist auch unrealistisch. Man kann es ja nicht vermeiden, dass einem der oder die eine sympatischer ist als der oder die andere.
Liebe meint etwas anderes. Es bedeutet, dass ich das Wohl des Anderen suche. Er ist mir mindestens genauso wichtig, wie ich mir selbst wichtig bin. Das ist gemeint mit dem “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst”. Oder mit der Aufforderung, dass wir einander höher achten sollen als uns selbst.
Diese Liebe ist das, wozu uns Paulus hier auffordert: Wir sollen fest zu der Wahrheit stehen und in Liebe zusammenhalten. Wahrheit und Liebe - das gehört ganz grundsätzlich zusammen. Vielleicht kennt ihr auch Menschen, die sehr stark die Wahrheit betonen. Und die dabei oft sehr hart wirken, die andere schnell verurteilen. Menschen, die alles besser wissen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die so lieb sind, dass sie sich nicht trauen, jemand auch mal deutlich zu sagen, dass er auf dem falschen Weg ist.
Eigentlich ist das eine nicht “Wahrheit” und das andere nicht “Liebe”. Denn die biblische Warheit ist ja nicht eine Lehre. Sie ist eine Person. “Ich bin die Wahrheit” - sagt Jesus. Man kann also nicht im biblischen Sinne die Wahrheit vertreten, ohne dass man Jesus vertritt. Und Jesus war alles - nur nicht ein “Recht-haber”.
Und umgekehrt: wenn “Liebe” bedeutet, dass mir der andere wichtiger ist als ich mir selbst, dann kann ich ja nicht etwas für mich behalten, was für den anderen wichtig wäre. Dann kann ich nicht schweigen, wenn der andere einen falschen Weg geht. Dann werde ich gerade aus dieser Liebe heraus dem anderen die Wahrheit sagen. Und weil es aus Liebe heraus ist, kann der andere diese Wahrheit dann auch viel leichter annehmen.
Wahrhaftig sein in der Liebe, so formuliert es die Lutherübersetzung. Das bedeutet, dass wir aus Liebe aufeinander achten und in Liebe miteinander umgehen. Dadurch, so sagt Paulus, wird die Gemeinde wie ein Leib wachsen. Ein Leib, an dem ein Glied das andere unterstützt und jedes Glied das beiträgt, was seine besonderen Fähigkeiten und Gaben sind, damit der gesamte Leib wächst und vorankommt. Und damit diese Utopie von Gemeinde, über die wir am Anfang gehört haben, schrittweise immer mehr Wirklichkeit werden kann. Übrigens auch hier in unserer Gemeinde!
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Wir haben gesehen, dass Gott seiner Gemeinde besondere Gaben und Fähigkeiten zum Dienst geschenkt hat. Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer - das sind besondere Aufgaben und Dienste, die die Gemeinde Jesu auch heute braucht.
Diese Dienste sind aber nicht ein Ziel in sich. Es geht nicht darum, dass hier Menschen sind, die der Gemeinde dienen. Sie sollen vielmehr durch ihren Dienst die Gemeindeglieder selbst wiederum zum Dienst ausrüsten und bevollmächtigen. Denn nur so kann die Gemeinde als Ganzes wachsen - zahlenmäßig wie geistlich.
Und schließlich fordert der Bibeltext uns alle heraus, dass wir unseren Platz in der Gemeinde einnehmen und dass wir in Liebe und Wahrheit miteinander umgehen. Damit die Gemeinde Gottes gebaut werden kann, indem jeder von uns seine Gaben einbringt und so der Leib Christi wachsen kann.
“Herr, hilf uns, dass diese Wahrheit in unserem Leben immer mehr Wirklichkeit wird!”
Amen